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Gunter Cornehl,  Januar/August 2018

Martin Kubes Engagement in Ecuador 1971 - 2007

Martin Kube ist heute 94 Jahre alt und lebt mit seiner Frau Marga im "Rosenhof" in Lübeck-Travemünde. Ich war ungefähr 12 Jahre alt, als ich ihn kennenlernte. Meine Mutter und er gingen Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre eine Beziehung miteinander ein, und er lebte für etwa 3 Jahre mit meiner Mutter und mir zusammen in unserer Wohnung in Hamburg-Wandsbek. Er wurde sozusagen mein Ersatzvater, mein richtiger war schon lang vorher gestorben. Damals sind wir nie richtig warm geworden. Martin achtete sehr auf Pünktlichkeit und Ordnung und das schränkte meine Freiheit, die ich bis dahin reichlich hatte, doch arg ein. So war ich zwar verwirrt und etwas enttäuscht, aber nicht sehr traurig, als die Beiden wieder getrennte Wege gingen. Wir verloren uns aus den Augen. Bis ich vor etwa 3 Jahren eine Nachricht über YouTube von Martin bekam. Er hatte eines meiner Videos gesehen und war beeindruckt. Über Gespräche kamen wir uns näher, und ich erfuhr zum ersten Mal Näheres zu seinem Engagement in Ecuador. Nun war ich beeindruckt. Gleich bei unserem nächsten Aufenthalt in Deutschland besuchten meine Frau, Claudie, und ich ihn und seine Marga in Travemünde. Wir hatten ein gutes herzliches Gespräch, und spontan schlug ich vor, sein Engagement in kleinen Videofilmen zu dokumentieren und für die Nachwelt zu erhalten. Unsere Kooperation begann und damit eine ganz neue Beziehung zwischen uns beiden.

a) Die Anfänge seines Engagements

1970 bereiste Martin Kube mit seiner Frau Marga Venezuela, um dort in Caracas Margas Patenkind Claudio Tillinger zu besuchen. In Cúcuta auf der Missionsstation an der Grenze zu Kolumbien wurde er konfrontiert mit den großen traurigen Kinderaugen, die gleichzeitig voller Hoffnung und Freude sind, inmitten größter Armut.

Er beschließt 1970 noch an Ort und Stelle etwas für diese Menschen zu tun. Der dort tätige Pater fasziniert ihn mit seiner selbstverständlichen, gütigen und zupackenden Art. Auf einer Überfahrt nach Südamerika kommt er ins Gespräch mit  einem Elektroingenieur aus Ecuador. Der beschreibt ihm den größten Mangel in seinem Land. Es fehlen gute Werkzeuge in fast allen Handwerksbereichen. Ohne diese könnten die Menschen dort beim besten Willen nicht voran kommen.

Das war das Signal für Martin. Da müsste doch etwas zu machen sein...

Konsul Günter Lisken

Buchautor Lisken

Vortrag Hauni-Werke, Bergedorf

Am 4. Juli 1974 erscheint unter der Rubrik "Menschlich gesehen" im Hamburger Abendblatt ein Artikel über Martin Kubes Engagement.

Das Werkzeug für Ecuador erhält er von den Zuhörern seiner Dia-Vorträge, in denen er statt Eintritt, eben Werkzeug verlangt. Ein stattliches Arsenal kommt so zusammen, das sogar einen Nähmaschinenpark umfasst. Berücksichtigen wir das Improvisationstalent der Ecuadorianer, ihren Sinn für die Pflege „wertvoller“ Dinge“, ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Werkzeuge dort nach wie vor gute Dienste leistet.

 

Zu "Martin Kubes Engagement" sind 4 Videos entstanden, die ich in Abstimmung mit Martin erstellt habe. Die ersten beiden sind Zusam-menfassungen mit den Fotos aus seinem Vortrag und Untertiteln, die das im Vortrag Gesagte  stark gekürzt wiedergeben.

Video 1: Überfahrt und Ankunft  Dauer 7:55 min

Video 2: Land und Leute  Dauer 9:01 min

b) Tocachi

In der Fernsehzeitschrift HÖRZU liest Martin 1971 einen Artikel über die armselige Situation im kleinen Andendorf Tocachi.

 

Das berührt ihn sehr und er beschließt, sich hier verstärkt zu engagieren. Über die Ordensschwester SIGMUNDA erfährt er mehr vom Dorf  in Ecuador und widmet sich in den nächsten 25 Jahren der Menschen dort. Hier arbeitet er eng mit Elisabeth Behringer zusammen, die für Tocachi schon länger tätig ist. Und wieder bringt er persönlich viele dort nützliche Dinge auf Frachtern in dieses kleine  Dorf in Ecuador: Werkzeuge,  Nähmaterialien, Kinderschuhe, Malstifte und Tuschkästen. Alles nimmt er als Spenden auf seinen 360  Vorträgen in ganz Deutschland entgegen. Diese hält er vor-nehmlich bei Land- und Hausfrauenvereinen, Augustinums, Rotary- und Lionsclubs, Kirchengemeinden, Kurhäusern und privaten Investoren. Er ist in besonderer Weise angetan von den Menschen, die in Tocachi versuchen, ihrBestes zu geben. Alle, wie sie da sind. Alte und Junge. Hart ist das Leben dort. Der scharfe, kalte Wind in den Anden verweht so manche mühsam ausgestreute Saatgut. Und er sieht, was fehlt und versucht nach Kräften zu helfen. Immer unter dem Gesichtspunkt der "Hilfe zur Selbsthilfe". Dabei kommt er auf die Idee, Geld zu sammeln für "Ausbildungspatenschaften". 11 junge Leute erhalten durch Spenden eine dreijährige Ausbildung, inkl. Verpflegung und Unterkunft an der Landwirtschaftsschule in Otavalo zum Landwirtschaftlichen Facharbeiter. Alle 11 legen erfolgreich die Prüfung ab und vier davon studieren danach. Martin Kube sagt in seinem Vortrag: "Das Land hat das Recht auf seine Kinder. Sie sollen mit den dortigen Verhältnissen fertig werden". Diese Initiative ist großartig.

Landwirtschaftliche Facharbeiter mit Lehrerin und Martin in Otavalo Ende der 80er

Martin Kube Anfang der 80er Jahre

Erik Blumenfeld 1915 - 1997

Martin stellt fest, wenn die Menschen in Deutschland konkret wissen, für wen sie was tun können, dann gibt es auch Großzügigkeit für fremde Menschen in Not. Seine Kontakte zum Rotary-Club nutzt er konsequent für seine Projekte. In diesem Zusammenhang ist auch der Kontakt zu dem damals sehr bekannten und einflussreichen Hamburger Politiker Erik Blumenfeld

zu nennen, der das Engagement von Martin unterstützt und fördert. Die Erfolge können sich

sehen lassen. Martin erfährt, zusammen mit seinen  Mitstreitern und Mitstreiterinnen:  'Das

Geheimnis des Glücks liegt nicht im Besitz, sondern im Geben.  Wer andere glücklich macht,

wird glücklich'. Das Zitat stammt von André Gide (1869 - 1951),  einem französischen Schrift-

steller, der 1947 den Literaturnobelpreis erhielt. Im Sinn  gleichlautend ist eine Aussage von

Albert Schweitzer überliefert: " Glück ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt".

Wir haben dies als Leitmotiv in den ersten drei Videos verwendet.

Das 3. Video  handelt von Tocachi und enthält zu den Fotos von Martin Kube

auch den Original-Ton aus seinem Vortrag in etwas geraffter Form. Die Audio-Aufnahme ist im Nachhinein Anfang der 2000er Jahre enstanden und entspricht in jeder Weise dem damaligen mündlichen Vorgetrag von ihm.

Video 3: Tocachi 

Dauer 19:36 min

c) Juan Pablo

1992 wird Martin Kube von Freunden in Quito auf Juan Pablo angesprochen. Der Junge ist eineinhalb  Jahre alt  und hat ein deformiertes Schienbein.  Ohne raschen chirurgischen Eingriff wird er niemals in seinem Leben gehen können.  Eine Operation ist sehr schwierig  und in Ecuador nicht möglich.  Wohl aber in der Universitätsklinik Hamburg - Eppendorf. Das ergibt eine Anfrage des Kinderarztes Dr. Fausto Moncayo. Er behandelt Pablo in Quito und  hat früher seine Ausbildung in der Hamburger Klinik gemacht. Von daher kennt er die Hamburger Kollegen noch recht gut. Allen voran Prof. Dr. Held, den Chefarzt der Chirurgie. Zurück in  Deutschland, geht die Situation des kleinen Pablo  Martin und seiner Frau Marga nicht mehr aus dem Kopf. Gern wollen sie helfen. So, wie sie es in einem ähnlich gelagerten Fall vorher schon einmal  tun konnten.  Sie wenden sich wieder an die "Damas Alemanas", eine karitative Vereinigung deutscher Frauen in Quito. Und die deutschen Damen sagen auch diesmal wieder zu und übernehmen gemeinsam mit der Lufthansa die Flugkosten. Diesmal gibt es aber einige Probleme mehr zu lösen. Beispielsweise müssen die Klinikkosten aufgebracht werden, die mindestens DM 10.000,- betragen. Die Familie des Pablo hat diesen Betrag nicht zur Verfügung. Martin schreibt kurzentschlossen einen Brief an 18 Freunde und Bekannte, die ihn und sein langjähriges Engagement gut kennen. 2 Wochen später sind die 10.000,- DM  bereits auf ein Konto für Pablo überwiesen. Seine Freunde und Bekannte haben spontan geholfen. Eine weitere gute Nachricht kommt von dem Oberarzt Dr. Heise, der bereit ist, die extrem seltene und sehr schwierige Operation durchzuführen und gleichzeitig noch auf sein Honorar verzichtet. Auch die Probleme der Unterbringung von Pablo und seiner Mutter können Martin und Marga lösen. Genauso wie das Problem der sprachlichen Verständigung. In beiden Fällen haben sie Hilfe von einer jungen Ecuadorianerin gefunden, Tatiana de Krömer. Sie ist mit einem Deutschen verheiratet, hat selbst einen Jungen in Pablos Alter und wohnt mit ihrer Familie in einer kleinen Wohnung im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Als Martin sie über seine Südamerika-Kontakte zufällig in Hamburg kennenlernt und anspricht, ist sie sofort bereit zu helfen, obwohl sie gerade dabei ist, unter Zeitdruck ihre Doktorarbeit zu Ende zu schreiben. Das Großartige ist, dass Tatiana fließend Deutsch und Spanisch spricht. Sie wird zum Bindeglied für Pablos Mutter Rosita mit Martin und Marga und den Ärzten. So kommen Pablo und seine Mutter Rosita Mitte September 1992 in Hamburg an, und Pablo wird am 23.9. im UKE in Hamburg erfolgreich operiert. Dann muss er einen Gipsverband tragen und bekommt danach einen orthopädischen Schuh. Während seines insgesamt zweieinhalb monatigen Aufenthalts in Hamburg lernt Pablo bei Marga und Martin das Gehen mit seinem operierten Bein.

Pablo 1991 mit seinem verwachsenen Schienbein

Tatiana de Krömer

Pablo mit Gips und orthopädischem Schuh      Erste Gehversuche            Pablo mit Martin               Großmuttergefühle bei Marga

Einen Tag nach der Operation schreibt Martin einen Dankes-brief an die 18 Spender. Sie wer-den  auch danach von Martin und Marga stets auf dem Laufenden gehalten.

Rosita schreibt einen langen Brief an Martin und Marga Kube und bedankt sich bei Ihnen und allen anderen mit großer Herzlichkeit. Jeder Schritt, den Pablo mache, erinnere sie an die unglaublich große Hilfsbereitschaft, die sie erfahren habe. 2000 treffen Rosita und Pablo zur Nachuntersuchung erneut in Hamburg ein. Es kommt zur Wiederbegegnung mit Dr. Heise, der den Jungen all die Jahre nicht aus den Augen gelassen hat. Er hat regelmäßig Berichte und Röntgenaufnahmen aus Quito erhalten und Pablos Entwicklung immer verfolgt. Eine Nach-behandlung ist erforderlich und wird 2004 im Jerusalem Krankenhaus in Hamburg vorgenommen.

Rosita bedankt sich herzlich              Ankunft zur Nachuntersuchung 2000                Wiedersehen mit Dr. Heise                      Nachbehandlung 2004

Heute beträgt die durch die OP bedingte Beinlängendifferenz bei Juan Pablo nur noch 2 cm. Das lässt sich durch Einlagen gut ausgleichen.

Eine wunderbare Geschichte geht zu Ende. Eine Geschichte, die das Herz erfreut. An ihr haben viele mitgewirkt und wichtige Beiträge geleistet. Und es tut gut, gerade heute davon zu hören. Der entscheidende

Beitrag aber ist der von Martin Kube gewesen. Dieser Mann hat die

Eigeninitiative bewiesen, die in der Geschichte der Menschheit immer

wichtig und nie im Überfluss vorhanden war. Wir aber brauchen  dies.

Bürokratie  hilft  uns nicht weiter.  Ein Netzwerk dagegen sehr.  Martin

Kube hatte dieses Netzwerk; er hat es sich selbst  aufgebaut. Freunde

und Bekannte in seinem Umkreis kannten ihn und sein Engagement.

Ihm  haben  sie  vertraut.  Wenn  Vertrauen  da  ist,  ist  viel  möglich.

Juan Pablo, vom Schicksal schon geschlagen mit seinem verwachsenen

Schienbein, ist heute erwachsen.  Pilot  ist  er  geworden. Und er steht

mit  beiden  Beinen  im  Leben.

Nachdem Martin mir das erste Mal von Juan Pablo erzählt hatte,

wusste ich sofort, dass ich darüber einen kleinen Videofilm mit

eigenen Kommentaren machen wollte. Meine Frau und ich

besuchten Martin und Marga Kube in Travemünde. Sie kramten

in ihren Erinnerungen und Fotoalben und erzählten.

Video 4:

Juan Pablo - eine Geschichte,

die das Herz erfreut 11:23 min

Zweimal ist Martin Kube in den 70er/80er Jahren zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes vorgeschlagen worden. In beiden Fällen hat sein damaliger Dienstherr, die Polizeibehörde Hamburg -Martin Kube war damals Kriminalkommissar in Hamburg- dem Verfahren nicht zugestimmt. Dies sei mit dem Beamtengesetz nicht zu vereinbaren, hieß es.  Kaum zu glauben,  wenn man seine Geschichte heute erfährt. Er hat sich davon nicht abbringen lassen und ist nach seiner Pensionierung seinen Weg beharrlich weiter gegangen. Erst 2007 mit 83 Jahren hat er sein aktives Engagement für Ecuador beendet. Das hält ihn natürlich nicht davon ab, sich auch heute noch für andere zu engagieren. Im Rosenhof beglückt er seine Mitbewohner regelmäßig mit seiner großen Plattensammlung. Er kommentiert sie und bittet zum Tanz. Das lässt so manche dunkle Stimmung in der Seniorenresidenz gar nicht erst aufkommen. Auch sonst hält er sich mit seiner Meinung nicht zurück. Ich habe das gemerkt in der Abstimmung mit ihm, als es um die Videos ging, um die Darstellung seines Engagements. Nicht selten haben wir beide in den letzten Jahren, besonders in den letzten Monaten, gerungen um manches Detail. Dabei ging es dann auch mal gut zur Sache. Am Ende aber steht für uns beide ein gutes Ergebnis, und wir können zufrieden und froh sein mit unserer Kooperation. Schade nur -und das sehen wir beide so - dass wir damit nicht schon vor 25 Jahren angefangen haben.

d) Hohe Ehrung des Landes Schleswig-Holstein

Mit dem Bundesverdienstkreuz hatte es nicht geklappt, aber für sein Engagement ist Martin Kube am 8. Mai 2018 in Kiel vom Ministerpräsidenten Daniel Günther mit der Ehrennadel des Landes ausgezeichnet worden:

Martin Kube mit Ministerpräsident Daniel Günther in der Staatskanzlei Kiel

Martins Ehrung.jpg
Marga und Martin Kube mit Ministerpräsident Daniel Günther (links) 
und  Reinhard Antrich, Leiter des Rosenhofes in Travemünde (rechts)

Die Laudatio des Ministerpräsidenten:

Martin Kube lebt in einer Seniorenresidenz in Travemünde und engagiert sich dort für die anderen Bewohner. Er ist Leiter einer Tischtennisgruppe sowie Veranstalter musikalischer Angebote. So präsentiert er regelmäßig unter dem Motto „Spiel mir eine alte Melodie“ bei Veranstaltungen seine Plattensammlung. Außerdem beteiligt er sich an Handwerkermärkten zugunsten wohltätiger Zwecke. Früher engagierte er sich über 30 Jahre lang für Menschen in Ecuador und sammelte bundesweit Spenden, um das Andendorf Tocachi zu unterstützen.

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